Samstag, 24. Januar 2009
 
Ryszard Kapuscinski (1932-2007) PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von Eva Kumar   
Donnerstag, 25. Januar 2007

Zitate zum Tod des polnischen Schriftstellers und Journalisten

Ryszard Kapuscinski ist gestorben. Das berichtete der polnische Nachrichtensender TVN 24 in der Nacht auf Mittwoch. Kapuscinski galt als einer der herausragenden Vertreter der literarischen Reportage. Im Mai 2004 wurde er in Wien mit dem Bruno-Kreisky-Preis für das politische Buch des Jahres 2003 ausgezeichnet. Und er galt letztes Jahr auch als Anwärter auf den Literatur-
Nobelpreis.

Der am 4. März 1932 in Pinsk im heutigen Weissrussland geborene Kapuscinski war Reporter der polnischen Nachrichtenagentur PAP, für die er als Korrespondent aus Afrika berichtete. Er schrieb Porträts über die Mächtigen und verfasste sensible Beschreibungen der Lebensbedingungen der Menschen in der Dritten Welt sowie der Kriege und Bürgerkriege in Afrika und Lateinamerika. Die «Vor-Ort-Wahrnehmung der Not» habe ihn nicht stumpf oder weinerlich gemacht, sondern seine Beobachtungsgabe geschärft, sagte André Heller bei der Verleihung des Bruno-Kreisky-Preises.
(Kleinreport 24.1.07 )

Im Alter von 73 Jahren, gegen dem Ende seines Lebens zu, den Körper geschwächt von Malaria-Schüben, TBC, und mit sechs Bypässen geschlagen, rastlos wie eh, die knappe Zeit als Luxus begreifend, offenbarte er ein Geheimnis: Kapuscinski hatte einen Reisebegleiter namens Herodot. Dessen Buch "Historien", vor zweieinhalbtausend Jahren geschrieben, das ihm die Chefin, Frau Tarlowska ("Das ist von mir, für unterwegs", welch kluge Vorgesetzte!) schenkte, begann er schon in Indien zu lesen. Dort "wurde er mir zunehmend sympathisch", denn Herodot, der erste Chronist der Antike, war den Menschen "wohlgesinnt, stand der Welt neugierig gegenüber, hatte immer viele Fragen und war bereit, Tausende von Kilometern zurückzulegen", um Antworten auf seine Fragen zu finden.

Dies gibt in kurzen Worten auch Kapuscinskis Motivation wieder: hingehen, schauen, begreifen, zuhören, eintauchen, nachforschen, einprägen, aufschreiben.
(Reportage in Die Welt: http://www.welt.de/data/2005/12/03/811778.html )

Im Zuge seiner Tätigkeit für die Nachrichtenagentur PAP war er oft der einzige europäische Korrespondent zu Zeiten der tiefgreifendsten Umbrüche und Krisen in Afrika und Lateinamerika: "In diesem Moment bin ich wohl der einzige immer noch schreibende Korrespondent einer Generation, die Afrika Mitte des 20. Jahrhunderts besucht hat. Und eigentlich habe ich die Pflicht, die Entwicklungen exakt zu beschreiben. Ich bin der einzige, der eine Synthese geben kann, was in Afrika um die Mitte des 20. Jahrhunderts passiert ist. Es gibt sehr wenige lebende Menschen, die so viel Zeit in Afrika verbracht haben wie ich." Und viele Male hat der Autor dabei selbst Auge in Auge mit dem Tod gestanden. Wie er selbst sagt, hat er bisher 27 Staatsstreiche, Revolutionen und bewaffnete Konflikte miterlebt und durch seine Berichte bezeugt.

100 Seiten lesen, um eine Seite zu schreiben Mit 17 Jahren gab Kapuscinski mit einem Gedicht in der Zeitschrift "Heute und Morgen" sein schriftstellerisches Debüt. Es folgten Reportagen, Reiseschilderungen und Werke wie "Cesarz" ("König der Könige. Eine Parabel der Macht") über den Niedergang des Regimes von Kaiser Haile Selassie in Äthiopien und "Imperium", über das stalinistische Russland, das er bereiste und erforschte die in bis zu 30 Ländern aufgelegt wurden. 100 Seiten lesen, um eine Seite zu schreiben, beschrieb Kapuscinski kürzlich die wichtigste Grundlage seiner Arbeit. Zuletzt hat er an "Notizen eines Weltbürgers" gearbeitet.

Den Blick für die echte Prosa bewahrt Der Schriftsteller Salman Rushdie hob kürzlich die Genauigkeit der Arbeit des polnischen Literaten mit den Worten hervor: Ein Kapuscinski habe den Wert von Tausenden fantasierenden Schreiberlingen. Ein Eindruck, den auch Polens Erfolgsautor Andrzej Stasiuk uneingeschränkt teilt: Kapuscinski habe sich für seine Beschreibungen, für die Schriftstellerei immer den Blick bewahrt, was echte und klare Prosa ist.
(Tagesschau ARD 25.1.07 )

... unser Herr ging von der Annahme aus, daß man den Menschen selbst die loyalste Presse nicht im Übermaß geben sollte, denn wie leicht könnte sich daraus die Gewohnheit des Lesens entwickeln. Und von da wäre es dann nur mehr ein Schritt zum gewohnheitsmäßigen Denken, und wir wissen ja alle, was für Unannehmlichkeiten, Probleme, Sorgen und Kümmernisse das mit sich bringt. Nehmen wir einmal an, etwas wird loyal geschrieben, dann aber illoyal gelesen; jemand fängt an, loyale Dinge zu lesen, verspürt aber dann Lust auf illoyale, und so folgt er dem Weg, der ihn vom Thron und vom Fortschritt wegführt, hin zu den Unruhestiftern.
(Aus: Ryszard Kapuscinski: König der Könige. Frankfurt/M.: Eichborn, 1995)


Bild: Portrait von Ryszard Kapuściński, Bild von Irmi Long, Eichborn AG; Copyleft GNU Free Documentation License


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